Funnel, 2015
Die Ambivalenz, die Doppelbödigkeit des Materials, das durch seine inhärenten Möglichkeiten eine Art Weichenstellung in der Behandlung bereithält, zeigt uns zum Beispiel Margund Smolka, wenn sie mehrere Lagen digital bedruckter Folie mit Löchern versieht und diese Schichtungen dann Bilder erzeugen, die wir zwar wiedererkennen, aber die Künstlerin mit dieser neuen Ordnung wie Struktur auch einen neuen Raum für Empfindungen schafft. Solche Methoden der ungewohnten Behandlung von Material gehen über den einfachen Verfremdungseffekt hinaus, indem sie selbst zum bildgebenden Verfahren werden wie auch neue Vorstellungen überhaupt erst ermöglichen. Es ist heute zur Selbstverständlichkeit geworden, eine gängige Praxis, dass Künstler sich nicht nur einem Material verpflichtet sehen, sondern in Ensembles arbeiten. Das ist sowohl materiell als ideell gemeint, wenn völlig heterogene Formen wie Materialien aufeinandertreffen und auch unterschiedliche Denkansätze wie gedankliche Sphären sich miteinander verbinden. Entgrenzung als Voraussetzung neuartiger Verbindungen, wenn auch Text, Schrift und weitere Medien wie Licht, Klang oder umgedeutete Gebrauchsgegenstände hinzutreten. In Margund Smolkas Werk tritt diese Vielgestalt besonders hervor, wenn auch die Neigung zur Grenzüberschreitung überhaupt eine der Klammern ist, die die Positionen dieser Ausstellung zusammenführen. Nicht unerwähnt soll ein von Margund Smolka vorgenommener Eingriff im Außenraum sein, der mit Größenverhältnissen zu tun hat. Das hat man vielleicht schon einmal gesehen: wie Vögel in oder an Industriebauten, die verlassen wurden, Nester gebaut haben und nun die Abrissbirne diese zarten Architekturen in ihr zerstörerisches Werk mit hineinreißt. Ein aus Gestrüpp gebautes Nest mit überdimensionierten Plastikeiern in einer Industriebrachenecke ... sonst nichts. Ein schlichtes Werk von durchschlagender visueller, das heißt emotionaler Kraft.
Giso Westing